22 März 2011

Judith Edelmann

Mit einem monatlichen Grundeinkommen könnte ich endlich ICH sein. Ich wäre der wirkliche Schmied meines Glückes und könnte auf Menschen verzichten, und zukünftig freundlich ins Gesicht lachen, die nicht bereit sind, eine gute Arbeit wertzuschätzen und dementsprechend zu entlohnen. Der Sinn eines Geschäftes besteht meiner Meinung nach aus einer Win-Win Situation und nicht aus einer einseitigen Ausbeutung. Die Menschenwürde nebst Selbstwertgefühl so vieler Menschen bleibt komplett auf der Strecke. Ich könnte endlich soziale Projekte weltweit in einem Bildband festhalten und die Menschen, die dahinter stehen mit ihren Wünschen, Wertvorstellungen und Träumen einfühlsam porträtieren und müsste nicht umsonst arbeiten wie das bei sozialen Projekten leider auch so üblich ist. Deshalb ist mir das nämlich bislang auch nicht möglich. Ich würde mit einem alten Landrover Defender mit Hund durch Italien touren, meine Sprachkenntnisse verbessern, bei Kleinstproduzenten von nachhaltig angebauten Lebensmitteln aushelfen, anschließend ein altes Steinhaus mieten, in dessen Garten es nach Rosmarin und Thymian duftet und Menschen unterschiedlicher Herkunft einladen um gemeinsam mit Prominenten, die sich für Naturschutz, Ethik und Menschenwürde einsetzen zu kochen und zu diskutieren und eine schöne Zeit erleben. Das Resultat dieser Zusammenkünfte würde ich in einem eigenen Verlag veröffentlichen. Mein Haus wäre ein Zentrum für wunderbare Menschen. Daneben würde ich mit meiner Fotografie zusätzlich genug Geld verdienen, und abends würde ich glücklich meine alte Steintreppe hinauf ins Schlafzimmer mit Blick auf eine kleine Bucht gehen, die warmen, alten Steinfließen erzählen in meiner Fantasie die Geschichten der Menschen, die früher in dem Haus lebten und unten erklingen die letzten Töne einer CD von Sade. RRRRING ... oh der Wecker, ich bin ja in Deutschland, der Werbeslogan" Geiz ist geil" ertönt gerade im Radio, und das monatliche Grundeinkommen interessiert hier die Politiker leider nicht, wie so vieles nicht, das so dringend notwendig wäre. Schade eigentlich.

Judith Edelmann (*1972), Foto/Text/Styling (suche sinnreiche Arbeit), Deutschland

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