29 Mai 2006

Gisela Egli-Zemp

Ich gebe Musikunterricht, was aber nicht zum Leben reicht. Bin geschieden, habe mehrere Kinder aufgezogen, die jetzt erwachsen sind, aber auch nicht so viel verdienen, dass sie mich mitfinanzieren könnten. Deshalb
bekommen ich Sozialhilfe. Das reicht zum Überleben. Es werden mir
auch die Krankenkasse und der Zahnarzt bezahlt. Aber wenn Dinge kaputt
gehen, kann ich sie nicht reparieren lassen oder ersetzen. Bei meiner Armbanduhr ist der Einstellknopf kaputt, beim Digital-Klavier ist die Tastatur so abgenutzt, dass es beim Spielen klackende Geräusche gibt. Ein Austausch der Klaviatur ist für mich unbezahlbar. Mein billiger PC-Drucker verschlingt zu viel teure Tinte. Ein Laserdrucker ist für mich nicht erschwinglich. Ein Auto habe ich nicht. So kann ich auch nicht den
günstigsten Angeboten nachreisen. In meinem Altbau (Miete
300.- monatlich) gäbe es ständig dies und das zu reparieren. Hätte ich das Grundeinkommen, könnte ich auf solche Reparaturen und Anschaffungen hin sparen. Manche Leute leisten sich trotz fehlendem Geld alles mögliche. Die Privatschulden in der Schweiz sind hoch. Es wurden also Waren geliefert und Arbeiten ausgeführt, die aber nicht bezahlt wurden. Was nützt das der Wirtschaft? Wenn die Leute nichts haben, können sie nichts ausgeben. Und die Reichen verfügen über so viel Geld, dass sie es gar nicht alles ausgeben können. Sie blockieren Geld, das der Wirtschaft fehlt.
Ist es überhaupt mit der Menschenwürde vereinbar, wenn Menschen, die
"Pech" hatten, auf Jahre hinaus oder sogar für den Rest ihres Lebens
Gefangene sind in der Geldknappheit? Die Gefangenen hinter Gittern werden
auch gefüttert und ärztlich versorgt, mit TV unterhalten und
abgelenkt. Aber Freiheit gibt's nicht mehr. Für uns Arme draußen auch
nicht. Nur, dass die Gitterstäbe nicht sichtbar sind. Aber es ist eine Gefangenschaft. Wofür?

Gisela Egli-Zemp (*1950), Hausfrau und gibt Privat-Musikunterricht, Trasadingen

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