02 November 2006

Christoph Breuer

Grundlohn? - Vielleicht nur noch 20 Stunden, statt 40 Stunden in der Woche „unselbstständig“ arbeiten? Vielleicht könnte ich auch ein Job in meiner Nähe suchen, so dass ich jede Woche nicht mehr 10 Stunden Fahrtzeit hätte. Dadurch hätte ich 20 – 30 Stunden in der Woche mehr von und für meine Familie und mehr für vieles mehr... immerhin! 20 – 30 Stunden in der Woche mehr Anteil und mit ein Teil der Familie.!
20 – 30 Stunden in der Woche ohne Sachzwänge selbstständig unternehmerisch tätig sein.

Stellen Sie sich vor, ich wollte eine Familie und sehe sie kaum, weil ich jetzt für das Nötigste zum überleben unterwegs bin (für eine Wohnung, fließend kaltes und warmes Wasser, Elektrische Versorgung, ein Auto, eine Monatsfahrkarte, Telefon/Internet, „Versicherungen“, Kinderbetreuung/Kindergarten und kindliche Entwicklungsförderung und zu wenig für 100% Bio-Lebensmittel und Textilien und was man sonst noch zur Pflege und Reinhaltung von Wohnung und Körper braucht).

Wir haben nicht genügend Geld für: gemeinsame Urlaube, für Freizeit-, Sport-, Bildungs-, und Kulturveranstaltung, für qualitativ hochwertige und sozial- und ökologisch verträgliche Produkte, für Spenden an Wohltätige Initiativen, für eine Gewerkschaft, für einen Rechtsschutz und so weiter. Wir haben Schulden und schon zu Mitte des Monats kein Geld mehr. So geht es vielen!

Mehr Zeit zum Hinschauen, zur Einsicht, zur Muße, zur Methodischen Sinnfindung (Meditation), für die Alltägliche Arbeit mit und für die Familie als praxisnahestes Kloster/Ashram, für die Entfaltung des künstlerischen Potentials in mir und für die Arbeit am Gemeinwohl - würde für mich die Befreiung aus den Sachzwängen durch die Einführung des Grundlohnes längerfristig bedeuten.

Der Staat subventioniert meinen Arbeitgeber, weil ich ihm nicht mehr Wert bin (SGB II und Familienförderung der Stadt), obwohl ich für ihn schon von 37,5 auf 40 Stunden/Woche zum gleichen Lohn arbeite. Außerdem erhalten wir Kindergeld.
Wie viele Steuerzahler unterstützen sich eigentlich schon untereinander und wie lange können sie das noch - in unserer alternden Gesellschaft? Soll meine Frau auch noch 20 – 30 Stunden unselbstständig arbeiten und sollen wir unser Kind deshalb auch irgendwo, staatlich subventioniert - unterbringen? Für wen? Für die Wirtschaft? Ich dachte die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht umgekehrt?

Wir haben keine Zeit weil wir irgendwas unselbstständig arbeiten müssen und das schlimmste dabei ist: Die dringlichste Arbeit bleibt liegen: Teilen!
Wir sind so erschöpft mit lohnabhängiger Arbeit und Familienarbeit, dass wir keine Zeit haben zum Beispiel das Elend und den Hunger, die Armut und Bedürftigkeit in der Nachbarschaft, im Dorf, in der Stadt, im Land und auf der ganzen Welt lindern zu helfen.

Wir sind uns einfach am nächsten und wollen das gar nicht, weil wir von Geburt an ein Soziales, Spirituelles und freies Wesen sind. Andere Menschen kommen noch nicht einmal eingeschränkt in den Genuss dieser Geburts- und Grundrechte.
Täglich sterben nämlich allein an den Folgen von Hunger und Unterernährung 24.000 Menschen weltweit. Mehr als eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Jährlich sterben elf Millionen Kinder an vermeidbaren Krankheiten.
In den ärmsten Ländern ist eine Schwangerschaft lebensgefährlich: Eine von 48 Frauen stirbt bei der Entbindung. Mehr als 860 Millionen Menschen können nicht lesen und schreiben.

Hinzu kommt, dass ich mich für die Anschaffung des Europäischen Materiellen Mindeststandards von meinen Vorgesetzten schikanieren lassen muss.
Ein Firmenphilosophisches Menschenbild, das den Menschen in den Mittelpunkt stellen will, und in Wirklichkeit durch und durch negativ ist, weil es kontrolliert, statt zu vertrauen (Stichwort: Taschenkontrollen, Testkäufer, nichts von dem was abgelaufen oder nicht mehr frisch ist, darf von den Angestellten mitgenommen werden, stattdessen wird es weggeschmissen, Bewertungsprofilerstellung zur Person und zu den Arbeitsergebnissen, kontrollierte Eigeneinkäufe während des Dienstes und wenn es nur ein Brötchen für die Pause ist, sowie miese Behandlung für einige meiner Kolleginnen oder die Äußerung unserer Bezirksvertreterin „bei dem Wort Betriebsrat, schlagen bei uns die Alarmglocken“, sind absolut demotivierend, zumal das im Licht und Glanz der Ganzheitlichkeit geschieht.

Mit dem Grundlohn sind wir ein Stück weit aus dieser Sklaverei befreit und könnten uns frei entscheiden, ob wir solchen „Arbeitgebern“ unsere Lebenskraft zu Verfügung stellen wollen.
Hoffentlich kommt diese Befreiung aus den Sachzwängen bald. Hoffentlich!

Christoph Breuer (*1967), Verkäufer

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